1993 startete das Balkan Peace Team (BPT) ein gewaltfreies und überparteiliches internationales Friedensprojekt, um im Balkan Friedens- und Versöhnungsarbeit zu leisten. Aus der Schweiz gingen Ueli Wildberger und Salomé Luz in den Einsatz. Im Rahmen des 40-Jährigen Jubiläums von PBI sprach Katia Aeby mit ihnen über ihre Erfahrungen im Balkan.
Erste Schritte des Balkan Peace Teams in Kroatien
Das BPT wurde 1993 nach den Prinzipien der Gewaltlosigkeit, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und friedlichen Konfliktlösung gegründet. Es bestand aus 11 Organisationen, darunter PBI. Es beruhte zudem auf der Idee der Überparteilichkeit, wobei Teams sowohl auf der kroatischen wie auch der serbischen Seite eingesetzt werden sollten. Die ersten Freiwilligen gingen im Februar 1994 nach Split und Zagreb in Kroatien. Ueli Wildberger war zuerst Vertreter von PBI im internationalen Koordinationsausschuss, der sich immer wieder mit den Teams in Kroatien oder anderswo traf und ging im Sommer 1995 dann selber ins Feld. Dort setzte sich das Friedensprojekt insbesondere gegen die schleichende ethnische Diskriminierung und Säuberung der nicht-Kroat*innen in der serbischen Enklave Krajina ein. Der ehemalige Freiwillige berichtete, dass die Menschen damals aus ihren Wohnungen vertrieben wurden, da die Regierung Platz für verdiente Kriegsveteranen schaffen wollte. Um solche Vertreibungen zu verhindern, besetzten die Freiwilligen die Wohnungen der nicht-Kroat*innen. Auf diese Weise kamen die Fälle vor Gericht und es konnte besser entschieden werden, wem die Wohnungen rechtmässig gehörten. Eine weitere Methode, an die sich Wildberger erinnerte, war das Fact Finding. Nach den Wiedereroberung der serbischen Enklave durch die kroatische Armee reiste ein Team schnell an, um als Augenzeug*innen Ermordungen zu dokumentieren.
Das BPT arbeitete als internationale dritte Partei mit den Akteur*innen vor Ort zusammen. Dazu gehörte die Kontaktpflege zu nationalen Behörden, NGO’s und der Zivilbevölkerung aber auch das Teilnehmen und Organisieren von Konferenzen, Workshops und Rundtischen zwischen verschiedenen Organisationen und das Führen von Interviews. Die Freiwilligen begleiteten bedrohte Personen oder dokumentierten und beobachten politische Prozesse. Diese Arbeit führt PBI bis heute in verschiedenen Konfliktgebieten weiter, da sich die Schutzwirkung durch internationale Augenzeug*innen bewährt hat.
In einem Zeitungsartikel des Zürcher Kirchenboten von Mai 1996 berichtete Wildberger: «Ich glaube, dass eine dauerhafte Lösung nur aus der Region selbst erwachsen kann. Nur durch Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte, die bereit sind, ihre Konflikte gewaltfrei auszutragen, kann eine friedliche Lösung erfolgen.»
Ein weiteres Team des BPT im Kosovo
Salomé Luz gehörte zum ersten Team, das im November 1994 in den Kosovo ging. Nach einem Aufenthalt in Belgrad, Serbien um die Aufenthaltsbewilligung für den Kosovo zu erhalten, Kontakte mit der serbisch-orthodoxen Kirche zu knüpfen und über die serbischen Ansichten zu erfahren, ging sie für zwei Monate nach Pristina. Das Parallelsystem im Kosovo, aufgebaut durch die Kosovo-Albaner*innen und in der Hoffnung, durch eine unabhängige Gesellschaftsstruktur Druck auf die serbische Regierung ausüben zu können, spaltete die zwei Bevölkerungsgruppen. Die Freiwiligen leisteten deshalb primär Vermittlungs- und Versöhnungsarbeit. Insbesondere kann sich Luz noch an das Klima der Angst in den Regionen erinnern; niemand wusste, wem zu vertrauen.
«Ein wesentlicher Faktor ist die Angst, Angst vor dem anderen. Angst ist kein guter Ratgeber und trägt wesentlich dazu bei, die Wahrnehmung der Wirklichkeit und des Umfelds zu verzerren.» Salomé Luz, 2021
Die Freiwilligen hörten den Menschen zu, fragten nach ihrem Alltag und versorgten die Leute mit den ihnen fehlenden Informationen. Das Ziel war es, die verschiedenen Perspektiven zu verstehen und zu hinterfragen. Luz erklärte: «Die Leute brauchten Informationen, an die sie wegen der Zensur nur schwer herankamen und wir waren auf ihre Informationen und Sichtweisen angewiesen, um die Situation analysieren und verstehen zu können.» Das schuf Vertrauen, was eine wichtige Voraussetzung für Versöhnungsarbeit darstellt. Nur so konnte etwas am bestehenden Feindbild der jeweils anderen Partei verändert werden.
Der Konfliktkontext war äusserst komplex und die Einsätze waren kurz, da es schwierig war, ein Visa zu erhalten und die Situation sich verschlimmerte. Die Einblicke, welche Ueli Wildberger und Salomé Luz über ihre Zeit im Balkan und in die Arbeit von PBI gaben, stellen die Friedensarbeit von Freiwilligen im Feld dar. Sie zeigen auch die wichtigen Perspektiven auf, welche Freiwillige vor Ort durch ihre Beteiligung bekommen und essentiell für die konkrete Umsetzung der Arbeit von PBI ist.
Salomé und Ueli werden am 4. Dezember an der 40 Jahre PBI Jubiläumsfeier in Bern anwesend sein. Diskutieren Sie mit Ihnen am Balkanprojekttisch über Ihr Engagement bei PBI und ihre Erfahrungen vor Ort.
Weitere Informationen:
- Lesen Sie im Facing Peace vom März 2021 das Interview mit Ueli Wildberger zu den Anfängen von PBI
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