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Jürgen Störk: Einblicke in die Arbeit von PBI in Haiti 1996

Jürgen Störk: Einblicke in die Arbeit von PBI in Haiti 1996

Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums von PBI veröffentlicht PBI Schweiz die Rundbriefe von Jürgen Störk aus seiner Zeit als Freiwilliger in Haiti 1996 sowie das Buch "Expériences non violentes en Haïti - la paix est là, nous la cherchons". Diese geben spannende Einblicke in die Arbeit des früheren PBI-Projekts.

Der ehemalige Freiwillige Jürgen Störk hat die Arbeit von PBI zwischen 1994 und 2010 auf verschiedenen Ebenen geprägt: als Freiwilliger war er in Guatemala, Haiti und Indonesien im Einsatz und von der Schweiz aus unterstützte er als Geschäftsleiter verschiedene Länderprojekte, war Teil vom internationalen Rat von PBI sowie später Mitglied des Nationalkomitees von PBI Schweiz.

Rundbriefe aus Haiti 1996

Alle zwei bis drei Monate schilderte Jürgen Störk den Alltag der Freiwilligen und die täglichen Fragen, mit denen sich das Team auseinandersetzte. Weiter beschrieb er nicht nur die gesellschaftlichen und kulturellen Herausforderungen, sondern auch die Durchführung von Workshops zur Friedenförderung und seine Reflexionen dazu. Hier zwei Ausschnitte aus den Rundbriefen:

  • Ebenfalls in Gonaives konnten wir mit etwa zwanzig jungen Männern und Frauen ein erstes kleines Atelier “Einführung in die Gewaltfreiheit” machen. Es war für mich sehr interessant zu sehen und zu hören, was die HaitianerInnen unter Gewaltfreiheit verstehen sowie die Widersprüche zu entdecken. So waren sie einig darin, dass Gewaltfreiheit mit Dialog, mit Vertauen in sich und den anderen, oder - religös formuliert - mit dem Gebot der Nächstenliebe zu tun hat. Gleichzeitig aber beantworteten sie jedoch die Frage, ob Eltern, welche ihre Kinder nicht schlagen gute Eltern seien, oder ob ein Lehrer, der keine Körperstrafen verteilt, etwas tauge, einstimmig mit Nein. Es bedurfte einiger Diskussion, um überhaupt klar zu machen, dass die Aussagen widersprüchlich sind. Solche ersten Eindrücke, die Interviews mit Opfern des Terrorregimes, sowie Gespräche mit verschiedensten Leuten über Gewaltfreiheit zeigten uns bereits, dass in diesem Bereich viele Aufgaben für ein langfristiges Engagement von PBI in Haiti liegen (12.03.1996).
  • Wir wollen und können hier keine LehrerInnen sein, in welchem Bereich auch immer wir Ateliers machen. (Zur Illustration einige Themenbeispiele: Organisation, Gruppendynamik, Interkulturalität, Gewaltfreiheit, Vertrauen, Kommunikation, Entscheidungsprozesse, Konflikte etc.) Da gibt es keine Vorträge, keine Theorien, sondern wir benutzen als Werkzeug hauptsächlich “Spiele”, Dynamiken, Rollenspiele, Theater, welche in den jeweils fraglichen, problematischen Punkten direkte, persönliche Erfahrungen aller Teilnehmenden ermöglichen. Diese werden anschliessend gemeinsam ausgewertet, zunächst auf der Ebene der erlebten Gefühle, dann auf einer inhaltlichen Ebene. Auf diese spielerische Weise lassen sich Probleme auf eine ganz persönliche Art, zum Beispiel auch non-verbal, sichtbar machen und mitteilen. Diese Arbeit führt oft zu Einsichten in sich selbst und in den anderen, welche erlauben, in der Problematik einen Schritt weiter zu kommen. Unsere Rolle in diesem ganzen Verlauf ist lediglich, einen pädagogisch durchdachten Prozess zu gestalten und sorgfältig zu animieren (24.05.1996).
     
  • Mehr über Jürgen Störk und die kompletten Rundbriefe aus Haiti

Das Buch «Expériences non violentes en Haïti - la paix est là, nous la cherchons» (2001)

Über das PBI-Haiti Projekt ist 2001 ein Buch erschienen, dass drei Ebenen analysiert:

  1. Geschichte und Situation: Präsentation von PBI Haiti, dessen Umfeld und Entwicklungen.
  2. Externe Sichtweisen: Projekt-Evaluationen durch drei Soziolog*innen, mitunter der haitianischen Soziologin Sabine Manigat und dem Schweizer Soziologie Professor Ueli Mäder aus Basel.
  3. Frieden schaffen: die Früchte dieser Erfahrung für Haiti, aber auch für alle, die sich weltweit für Menschenrechte, positive Konfliktbearbeitung oder Friedenserziehung einsetzen.

Claudette Werleigh, 1995-96 Premierministerin von Haiti und seit 2007 Präsidentin von Pax Christi, gibt den Leser*innen des Buches im Vorwort einen Eindruck ihrer Wahrnehmung des PBI -Zuganges in Haiti. Eingeleitet wird das Buch durch zwei Schreiben des PBI-Haiti-Projekts, in denen dessen wesentlicher Umfang erläutert wird. Jan Hanssens schrieb den ersten Brief im Namen von Justice et Paix Haïti, also der Organisation, welche PBI ursprünglich um Präsenz im Land angefragt hatte. Dann äussert sich der Internationale Rat von PBI durch Liam Mahony, einer der Pioniere dieses Projekts. Zusätzlich zu den 170 Seiten mit Analysen und Überlegungen gibt es mehr als 80 Seiten Dokumente und eine Broschüre mit Fotos, die die Analyse ergänzen. Haitianische Zeugenaussagen und Zitate von Freiwilligen illustrieren und bereichern mehrere Texte. Das Buch wurde orginal auf Französisch verfasst, es gibt aber auch eine englische Übersetzung. Erfahren Sie mehr zum Buch im Sommaire exécutif, im book proposal oder durch Zitate von involvierten Personen und lesen Sie das gesamte Buch als PDF.