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Mexiko/Chihuahua: Neuigkeiten von Manon Yard nach neun Monaten im Einsatz

Mexiko/Chihuahua: Neuigkeiten von Manon Yard nach neun Monaten im Einsatz

Bilanz nach neun Monaten im Einsatz: "Ich bin sehr zufrieden!"

Nach Monaten der Hitze, des Schwitzens, der vielen Mücken, Schaben und anderen sympathischen, kleinen Tierchen, ist Ende Oktober der Winter eingetroffen. Welch ein Schock! Die Temperaturen sanken rasant und ich packte meine langen Hosen und Pullover aus, die seit meiner Ankunft in Mexiko zuunterst im Koffer schlummerten. Der Winter hier ist ein bisschen wie der Sommer: extrem. Im Allgemeinen sind die Tage schön und sonnig, aber sobald die Sonne untergeht, so gegen 17 Uhr im Dezember, wird es SEHR kalt (Die Temperatur sinkt in der Regel um 20 Grad)! So ist das Leben in einer (beinahe) Wüste...  

Momentan sind wir zu sechst im Team: eine Italienerin, ein Chilene, eine Irin, eine Niederländerin, eine Schweizerin, die auch die italienische Nationalität hat, und ich. Das Leben in der Gruppe und die Teamarbeit laufen weiterhin gut. Zum Alltag gehören Reisen ins Feld, Treffen mit den Behörden, interne Arbeit, aber auch gemeinsame Abendessen, Filme schauen und in den Ausgang gehen.

Gerechtigkeit für die Opfer des Minenunglücks in Pasta de Conchos

In den letzten Monaten bin ich sehr viel gereist, entweder per Bus oder Flugzeug, nach Ciudad Júarez, an der Grenze zu den USA, sowie in den Nachbarsstaat Coahuila und Mexiko-Stadt. Im Oktober war ich zum ersten Mal in der kohlenreichen Region des Bundesstaates Coahuila (auch eine Halbwüste, in der sich viele Kohlengruben befinden). Wir begleiteten die Organisation von Familienangehörigen Pasta de Conchos. 2006 wurden, als Folge eines Unfalls in der Kohlengrube Pasta de Conchos, 65 Grubenarbeiter „lebendig begraben“. Neun Jahre später ist der Grossteil der Leichen immer noch nicht geborgen worden und sowohl die Gründe wie auch die Verantwortlichen für den Unfall bleiben im Dunkeln. PBI unterstützt die Organisation in ihrer Forderung, die Verstorbenen aus der verschütteten Mine zu bergen, damit die Angehörigen sie in Würde bestatten können. Das scheint eine sehr einfache Forderung zu sein, aber hier verwandeln sich die einfachsten Forderungen leicht in jahrelange Auseinandersetzungen. Das ist sehr bedauerlich, wenn man zudem bedenkt, dass die Menschen in dieser Region sehr arm und isoliert leben und stark von Gewalt betroffen sind. Es ist eines der gefährlichsten Gebiete des Nordmexikos.

Ayotzinapa hat das Fass zum Überlaufen gebracht

Die Thematik der verschwundenen Personen ist im ganzen Land allgegenwärtig geworden: der Fall der durch die Gemeindepolizei entführten 43 Studenten im Bundesstaat Guerrero (Südosten des Landes) im vergangenen September war klar der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Es gab zahlreiche Demonstrationen, nicht nur im Bundesstaat Guerrero, sondern auch in Mexiko-Stadt und im ganzen Land – was eigentlich selten geschieht. Obwohl die mexikanische Regierung vor ein paar Wochen den Fall als abgeschlossen erklärt hat, mobilisiert sich die Zivilgesellschaft weiterhin. Sie fordert, dass die 42 noch Vermissten gefunden werden und Gerechtigkeit geschehen soll (die Überreste eines Studenten wurden offiziell identifiziert).

Viele der Familienangehörigen der Verschwundenen und jene, die ihnen Beistand leisten (das Menschenrechts- und Rechtshilfezentrum Tlachinollan, das seit mehr als 10 Jahren von PBI begleitet wird), sind ausserdem Zielscheibe von Belästigungen und Diffamierungen geworden. Trotz prekären Sicherheitsbedingungen verlangen sie, dass die vorgenommenen Untersuchungen seriös geführt werden und Klarheit verschaffen.

Der Vorfall der 43 Studenten in Ayotzinapa hat der internationalen Gemeinschaft und vielen MexikanerInnen die Augen geöffnet bezüglich des Dramas, das Tausende von Familien von Verschwundenen durchleben müssen (die offiziellen Zahlen sprechen von 23 000 registrierten Fällen von Verschwundenen), die Schwierigkeiten mit denen sie tagtäglich in ihrer Suche nach der Wahrheit konfrontiert sind, aber auch die Verstrickung (durch Handlung oder Unterlassung) von staatlichen Akteuren in vielen Fällen von Verschwindenlassen. Meinerseits hoffe ich sehr, dass dieser medienwirksame und emblematische Fall dazu beiträgt, im Land etwas zu bewegen. Wir werden sehen.

Die schönen Seiten Mexikos

Die  Aufgaben im Alltag hier lassen mich ein eher negatives Porträt des Landes zeichnen, aber das ist nicht das ganze Bild. In Mexiko gibt es auch unglaublich herzliche und engagierte Menschen, eine ausserordentliche Küche mit tausend Geschmäckern, eine grosse kulturelle Vielfalt und atemberaubende Landschaften.

Am Ende dieser neun Monate im Norden des Landes ziehe ich eine sehr positive Bilanz aus meiner Erfahrung. Der Arbeitsrhythmus bleibt intensiv, das Umfeld ist nicht das sicherste, aber die Themen, die wir bearbeiten, sind spannend und die MenschenrechtsverteidigerInnen, die wir begleiten, inspirieren und motivieren mich. Kurzum, ich bin sehr zufrieden!

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