Florence Mwikali, Projektkoordinatorin bei PBI Kenia, berichtet im Rahmen des neuen Berichts von Swisspeace über die geschlechterspezifische Problematik der Care-Arbeit und wie ein Projekt in Kenia diese angehen will.
Weltweit verrichten Frauen 75% der unbezahlten Care-Arbeit. Der Sektor ist von fundamentaler Wichtigkeit für die Gesellschaft und für den Frieden, trotzdem nimmt er in der Gesellschaft und Wirtschaft nur eine randständige Rolle ein.
Care-Arbeit ist Friedensarbeit
Care-Arbeit ist in unserer Gesellschaft unerlässlich: Es braucht sie zur Sicherung der Grundbedürfnisse und Gesundheit der Menschen. Hierzu zählen bspw. die Bereitstellung von Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Gesundheitspflege. Es ist eine Arbeit, die mehrheitlich von Frauen verrichtet wird, dies oft schlecht bis gar nicht bezahlt. Dabei ist Care-Arbeit die Grundlage, die das gesellschaftliche Gefüge zusammenhält. Dies zeigte die Covid-Pandemie deutlich. Es lässt sich also sagen, dass Care-Arbeit Friedensarbeit ist. Sie erhält in der Gesellschaft allerdings nur ungenügende Wertschätzung und ist durch einen Mangel an wirtschaftlicher Sicherheit gekennzeichnet. Zudem sind die Frauen während ihrer Arbeit oft Gewaltsituationen ausgesetzt. Die beschwerlichen Bedingungen, unter denen Care-Arbeit geleistet wird, sind auch ein grosses Hindernis für die Beteiligung von Frauen an politischen- und Friedensprozessen.
Schädliche Genderstereotypen
Abgesehen von allgemeiner Überlastung und Unterfinanzierung werden durch die Care-Arbeit Genderstereotypen gefördert. Florence Mwikali, Projektkoordinatorin bei PBI Kenia, kritisiert, dass Care-Arbeit nicht als Arbeit angesehen sondern einfach vorausgesetzt wird und es viel zu selbstverständlich ist, dass sie von Frauen erledigt wird. Dazu wird ihr Beitrag, den sie durch Care- bzw. Friedensarbeit ausüben, häufig unterschätzt. Das Patriarchat, so Florence Mwikali, limitiere den Einfluss der Frauen auf den privaten Raum.
Ein Projekt von PBI Kenia hat zum Ziel, das Selbstbewusststein der Frauen und Menschenrechtsverteidigerinnen zu stärken. Weiter soll das Verständnis von Care-Arbeit in der Gesellschaft verändert, Frauen für ihre Rechte sensibilisiert und ihre politische Partizipation gefördert werden. Diese Ziele werden mit verschiedenen Programmen angegangen. So wird zum Beispiel mit den am Projekt teilnehmenden Frauen ein 4-Phasen-Modell, das in Uganda entwickelt wurde, durchlaufen, das sie für herrschende Rollenbilder und patriarchale Machstrukturen sensibilisieren soll. PBI Kenia will den Frauen aufzeigen, dass sie so lange unterdrückt wurden, dass sie sich dessen gar nicht mehr bewusst sind, sie aber die Macht und das Recht haben, Raum einzunehmen. Eine Voraussetzung für das Gelingen des Projekts ist die Ermöglichung eines Austauschs zwischen Gleichgesinnten in einer sicheren Umgebung. Zudem sollen nicht nur Frauen, sondern auch Männer für die Thematik sensibilisiert werden; dies versucht PBI mit Rollenspielen und kleinen Theaterstücken, in denen der Arbeitsaufwand von Care-Arbeit aufgezeigt und Genderstereotypen und -rollen diskutiert werden. Das Projekt von PBI Kenia, so Florence Mwikali, hat gezeigt, dass für eine höhere Wertschätzung und eine veränderte Perspektive gegenüber Care-Arbeit und Frauen viel Vorarbeit zum Aufbrechen von Genderstereotypen notwendig ist.
Der Bericht von Swisspeace ist Teil des 2019 in der Schweiz vorgelegten vierten Nationalen Aktionsplans zur UNO-Sicherheitsratresolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit. In diesem Rahmen fand 2019 auch die Konferenz «Women, Peace & Security: Reclaim Prevention!» statt, bei der PBI Schweiz teilgenommen hatte.
Weitere Informationen
- Centering Care in Women, Peace and Security, Originaltext (auf Englisch) von Swisspeace, Mai 2022