Am Freitagabend, den 16.10.15 lud PBI zur Veranstaltung „Der Drogenkrieg und seine Opfer. Menschenrechte in Mexiko“ ein. In spannenden Berichten erzählten die Gäste von ihren persönlichen und beruflichen Erfahrungen in Mexiko, das schwer vom Drogenkrieg und Menschenrechtsverletzungen gezeichnet ist.
Anlass der Veranstaltung war der Besuch von Juan José Villagómez, Projektleiter bei der Migrantenherberge Casa del Migrante in Saltillo (Coahuila, Mexiko), in der Schweiz. Er sprach zusammen mit Sandro Benini, der 11 Jahre als Lateinamerika-Korrespondent in Mexiko gelebt hat und die Hochzeit des Terrorismus aus nächster Nähe erlebt hat. Von ihren Erfahrungen als PBI-Freiwillige im gefährlichen Norden Mexikos erzählte Stefania Grasso, die für PBI eineinhalb Jahre im Einsatz war.
Der Drogenkrieg in Mexiko seit 2006
Mexiko als Land ist schon lange von den Drogen geprägt, jedoch hat der „Drogenkrieg“ ein neues Mass an Gewalt mit sich gebracht. Der damalige Präsident Felipe Calderón beschloss im Dezember 2006 das Militär für den sog. Drogenkrieg im Inneren einzusetzen. Trotz erster militärischer Erfolge gab es in erster Linie negative Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Die Kartelle suchten sich neue Tätigkeitsfelder: Entführung, Erpressung und Versklavung von MigrantInnen, Ermordungen und Verschwindenlassen (nach offiziellen Angaben sind über 25‘000 Menschen verschwunden). Die Menschenrechtslage verschlechterte sich deutlich, auch da die Straflosigkeit weiterhin bei 95% liegt. Einmal wieder zeigte sich, dass das Militär für Aufgaben der Polizei ungeeignet ist, da es selbst vieler Menschenrechtsverletzungen beschuldigt wird. Nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Enrique Peña Nieto 2012 schien sich die Situation verbessert zu haben. Der Hauptunterschied war jedoch, dass die neue Regierung den Drogenkrieg nicht mehr medial ausschlachtete. Dies zeigte sich, als im September 2014 43 Studenten aus Ayotzinapa verschwanden. Dieses Ereignis, ebenso wie die Flucht des berüchtigten Kartell-Bosses „el chapo“ Guzman zeigte deutlich das Ausmass von Korruption und Vermischung des Organisierten Verbrechens mit staatlichen Institutionen.
Das Leid der MigrantInnen
Unter den negativen Auswirkungen leiden besonders die MigrantInnen, v. a. aus Zentralamerika, die auf dem Weg in die USA Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden. Mittlerweile sind unzählbare MigrantInnen tot, Tausende MigrantInnen verschwunden. Der Grad an Gewalttätigkeit gegenüber MigrantInnen nimmt immer mehr zu. Dies hat verschiedene Gründe: MigrantInnen sind wenig sichtbar und haben keinen Zugang zur Rechtsprechung. Juan José Villagómez, der in der Casa del Migrante die Menschen registriert und ihre Geschichten aufschreibt, fordert mehr Einsatz seitens der Behörden. Denn: „Niemand fragt nach den verschwundenen MigrantInnen.“ Ausserdem hat das Land bis heute kein ausreichend ausgebildetes Forensiker-Team, um die zahllosen Toten identifizieren zu können. Da der Staat die MigrantInnen nicht unterstützt, fordert Juan José Villagómez für sie Zugang zur internationalen Justiz, um die Verschwundenen suchen zu können.
Internationale Gemeinschaft in der Pflicht
Globale Migration ist überall auf der Welt ein Thema, was auch die aktuelle Flüchtlingssituation in Europa zeigt. Juan José: „Wir dachten, die grossen Demokratien sind auf einem besseren Weg im Umgang mit MigrantInnen“. Die Situation in Mexiko, aber auch die in Europa ist für ihn besonders eine „Krise der Menschlichkeit.“ Die Menschen müssen sich klar darüber werden, dass jeder Mensch das Recht auf ein Leben in Würde hat. PBI ist im Norden Mexikos die einzige innternationale Organisation, die mit Feldteams aktiv ist. Für Juan José Villagómez ist klar: Nur durch PBI und die Hilfe anderer internationaler Organisationen kann die Casa del Migrante ihre Arbeit fortsetzen. Daher ist auch diese Speaking Tour von Bedeutung. „Mich macht es traurig, wenn in einer anderen Sprache so schlecht über mein Land gesprochen wird. Jedoch muss auch die Wahrheit über die Menschenrechtssituation und die Lage der MigrantInnen gesagt werden.“ Die internationale Gemeinschaft muss weiterhin ein Auge auf Mexiko haben und Menschenrechtsverletzungen anprangern, denn „jeder noch so kleine Schritt ist wichtig“. Aus der Perspektive von PBI sprach Stefania Grasso von ihrer Erfahrung im Norden Mexikos. Die Lage ist sehr kompliziert, da es sehr viele Akteure zu unterscheiden gibt. Vor allem im Norden Mexikos ist es schwerer geworden, MRV zu schützen. „Aber ich habe das Gefühl, etwas bewirkt zu haben.“
Mehr Informationen:
- Speaking Tour von Juan José Villagómez in der Schweiz, Oktober 2015