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Tanja Vultier: "Mit PBI sieht kein Arbeitstag gleich aus"

Tanja Vultier: "Mit PBI sieht kein Arbeitstag gleich aus"

Tanja Vultier engagierte sich während 20 Monaten als Freiwillige in Apartadó und Bogotá, Kolumbien. Sie blickt auf ein erlebnisreiches Jahr zurück.

Seit zwei Monaten bin ich nun schon physisch zurück in der Schweiz, aber mit dem Kopf mehrheitlich noch in Kolumbien. Bereits denke ich über den Besuch der kolumbianischen Menschrechtsverteidigerin Berenice Celeita Ende März 2017 in der Schweiz nach. Ich habe sie als Präsidentin der Menschenrechtsorganisation Nomadesc oft bei ihrer Arbeit begleitet und wir haben uns auch privat blendend verstanden. Sie wird hier über die Friedensverträge in Kolumbien zwischen der Regierung und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) von 2016 berichten und darüber, welche Auswirkungen dies auf die ländlichen Gemeinschaften in Kolumbien hat. Denn mehr denn je steht das Land vor enormen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen.

So einfach lässt einen das Land und seine Leute also nicht los, auch nicht, wenn man wieder in der – hinsichtlich politischer Gewalt – ruhigen Schweiz ist. Zumindest habe ich den Vorteil, von hier aus weiterhin für PBI tätig sein zu dürfen und so auch auf professioneller Ebene den Kontakt zu Kolumbien und dem Projekt aufrechterhalten zu können. Ich verfolge, was in Kolumbien geschieht und habe den Eindruck, auch weiterhin etwas für die Menschen vor Ort tun zu können.

"Ein verrückter Lebensstil"

Dennoch war es schwierig, Kolumbien zu einem Zeitpunkt zu verlassen, zu dem auf politischer Ebene so viel passiert. Hinzu kommt, dass das Ende meines Freiwilligen-Einsatzes bei PBI gleichzeitig auch der Abschied von einem oft sehr verrückten und unglaublich anstrengenden, aber eben auch sehr faszinierenden Lebensstil bedeutete. Kein Arbeitstag sieht gleich aus. Manchmal verbringt man Tage mit stundenlangen internen Teamsitzungen bei denen irgendeine Entscheidung im Konsens getroffen werden muss. An anderen besucht man begleitete MenschenrechtsverteidigerInnen in ihren Büros oder sitzt den ganzen Tag an einer Verhandlung im Gerichtssaal. Wieder an anderen Tagen ist man Stunden auf dem Maultier, zu Fuss in Gummistiefeln, in einem klapprigen Jeep oder auf dem Motorboot unterwegs zu einer ländlichen Gemeinschaft. Dann schreibt man wieder Analysen und Berichte zur politischen Situation oder trifft Militär- und Polizeichefs, um die Arbeit von PBI und die prekäre Sicherheitslage der MenschenrechtsverteidigerInnen zu erklären.

Man verbringt die Tage, Wochen und Monate mit Personen mit unterschiedlichen Charakteren und aus verschiedenen Ländern der Welt, die man sich nicht ausgesucht hat. Mit von PBI begleiteten MenschenrechtsverteidigerInnen, aber vor allem auch mit den TeamkollegInnen. Man arbeitet, lebt, feiert, weint und freut sich 24 Stunden am Tag mit ihnen und das oftmals unter grossem Druck. Zu manchen Personen baut man dabei eine so intensive Bindung auf, dass sie wohl ein Leben lang halten wird, mit anderen lernt man sich zu arrangieren. Aber alle lernt man schlussendlich beinahe besser kennen als die eigene Familie. Man weiss wie die Leute am Morgen ihren Kaffee trinken, wie ihre Geschwister heissen, wie sie reagieren, wenn sie gestresst sind und ja, sogar, welche Unterhosen zu wem gehören. Es fällt mir sehr schwer, diesen abrupten Wechsel von solch intensiven Beziehungen hin zu «Fernbeziehungen» via Social Media zu akzeptieren und ich vermisse den täglichen Austausch mit vielen Leuten wahnsinnig.

So bin ich immer noch dabei, mich zu verabschieden. Vom Land und den tollen Menschen, die ich kennenlernen durfte, aber auch von der interessanten Arbeits- und Lebensweise im Projekt. Und dieses Gefühl des Abschieds wird wohl auch noch eine Weile andauern, was auch gut ist, denn es motiviert mich umso mehr, mich von hier aus weiter für die Menschenrechte in Kolumbien einzusetzen.

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