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Zwangsräumungen und Wahlen in Kenia: Gespräch mit Faith Kasina

Zwangsräumungen und Wahlen in Kenia: Gespräch mit Faith Kasina

In Kenia kommt es immer wieder zu Zwangsräumungen. Sie beunruhigen Menschenrechtsaktivist*innen wie Faith Kasina und Collince Maxx Odhiambo, die diese Praxis während ihrer virtuellen Speaking Tour im vergangenen Monat anprangerten. PBI Schweiz hat mit Faith Kasina gesprochen, um die Hintergründe und Auswirkungen dieser gewaltsamen Vertreibungen zu erläutern.

In den informellen Siedlungen von Nairobi stellen Zwangsräumungen eine grosse Bedrohung für die Haushalte dar. Sei es wegen dem Wunsch der Behörden, die informellen Siedlungen abzureissen, dem aktuellen Wahlkampf oder den Interessen privater Unternehmen, es stecken viele Gründe hinter diesen gewaltsamen Vertreibungen. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfristen und das Fehlen von Entschädigungen und Umsiedlungen deuten jedoch darauf hin, dass die Regierung nicht gewillt ist, angemessene Unterkünfte für ihre Bürger*innen zu schaffen.  

Zwangsräumungen und Wahlen

Faith Kasina zufolge besteht ein klarer Zusammenhang zwischen den Präsidentschaftswahlen, die im August 2022 stattfinden, und den Zwangsräumungen. Wohnungsfragen werden von der Regierung und den Politiker*innen für politische Kampagnen genutzt. Der Bau neuer Wohnungen ist ein Argument, mit dem die Politiker*innen bei den Bedürftigen Stimmen sammeln. Darüber hinaus werden Zwangsräumungen auch zu strategischen Zwecken eingesetzt: "Es geht darum, die informellen Siedlungen zu destabilisieren, damit sich die Bewohner*innen bei den Wahlen mehr auf ihre Grundbedürfnisse als auf ihr demokratisches Recht zu wählen konzentrieren", meint Faith Kasina. Als Beispiel nennt die Aktivistin die informelle Siedlung Mukuru, in der die Behörden über 70 Menschen vertrieben hat. Die Menschen sind nun obdachlos, weil die Regierung keine Umsiedlung vorsah. 

Ungelöste Landkonflikte

Die Zwangsräumungen stehen auch in direktem Zusammenhang mit der Eigentumsfrage. Private Unternehmen erheben Anspruch auf Land, auf dem Gemeinschaften seit Jahrzehnten leben und wofür sie auch bezahlt haben. Die Personen werden nicht im Voraus über die Räumungen informiert und es bestehen zahlreiche Unregelmässigkeiten und Konflikte rund um den Eigentum von Land. Gemäss Faith Kasina sind diese Probleme auf die Regierung zurück zu führen. Diese müsse Lösungen finden, um die gewaltsamen Vertreibungen der Menschen von ihrem Land zu verhindern. Die Vertriebenen haben zudem keine Mittel, um vor Gericht zu gehen und für ihre Landrechte zu kämpfen.

Aufruf an die internationale Gemeinschaft

Die internationale Gemeinschaft ist angesichts dieser Situation gefordert zu handeln, äussert die Aktivistin. Sie müsse sich an die kenianische Regierung wenden, um sicherzustellen, dass sie den Opfern angemessene Unterkünfte und Entschädigungen zur Verfügung stellt und die Verantwortung für Zwangsräumungen übernimmt. Letztere stellen eine illegale Praxis und Menschenrechtsverletzung dar. Die internationale Gemeinschaft müsse auch klar ihre Unterstützung gegenüber bedrohten Menschenrechtsverteidiger*innen an der Basis zeigen, meint die Aktivistin. "Wir sind auf die Solidarität der internationalen Gemeinschaft angewiesen, um unsere Forderungen zu äussern, die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, aufzuzeigen und um unsere Regierung zur Rechenschaft zu ziehen."

Für Faith Kasina ist eines der Hindernisse für die Verteidigung der Menschenrechte nach wie vor der Mangel an Ressourcen. Deshalb fordert sie von der internationalen Gemeinschaft die Bereitstellung eines Notfall-Mechanismus, um schnell reagieren zu können. "Wenn eine Menschenrechtsverteidigerin merkt, dass sie in Gefahr ist, muss sie sogleich umziehen können. Dafür braucht sie einen Mechanismus, um sich schnell in Sicherheit zu bringen, noch bevor eine Risikoanalyse durchgeführt wird. Momentan haben wir in den Zentren für soziale Gerechtigkeit keine Ressourcen, um die Verteidiger*innen zu schützen und um schnell auf Notfälle zu reagieren." Schliesslich ist es, gemäss Faith Kasina, während des Wahlkampfs sehr wichtig, dass die internationale Gemeinschaft die Regierung bei der Organisation friedlicher Wahlen unterstützt.

Weitere Informationen:

Faith Kasina ist Mitbegründerin und Koordinatorin des von PBI begleiteten Kayole-Zentrums für soziale Gerechtigkeit, das in den informellen Siedlungen von Nairobi arbeitet und sich insbesondere mit der Dokumentation von aussergerichtlicher Gewalt befasst. Faith Kasina ist in Kayole geboren und aufgewachsen. Die Ungerechtigkeiten, die sie und ihre Gemeinschaft in ihrer Nachbarschaft erfahren haben, haben in ihr die Leidenschaft geweckt, ihre Stimme gegen Ungerechtigkeit und Missbrauch zu erheben.